Meinst du, die Russen wollen Krieg? – Хотят ли русские войны?

Die Geschichte Russlands und Deutschlands ist eng miteinander verknüpft. Russland ist das größte europäische Nachbarland, welches von Deutschland in zwei Weltkriege hineingezogen wurde. Das friedliche Miteinander hat jedoch in letzter Zeit stark gelitten. Russland wird nur noch als Aggressor, sei es wirtschaftlich oder politisch, in den Medien dargestellt. Es gibt zu wenig Gelegenheit, diese einseitige Sichtweise zu hinterfragen. Das Bild vom modernen Russland muss deshalb aktualisiert werden. Eine Ausstellung über das heutige Russland zeigt Fotografien und Impressionen vom Alltag. Begleitende Texte bieten eine Möglichkeit, den Blick auf dieses Land zu überprüfen

Einblicke und Eindrücke, die sich im ersten Moment oft nicht von unserer Welt unterscheiden: Werbung, Smartphones, Fastfood und Shopping Malls sind in der Öffentlichkeit präsent, wie wir es hier erleben. Die Bilder zeigen aber auch, wie sich Tradition und Moderne gegenüberstehen: Musiker mit Akkordeon und folkloristischem Repertoire beleben die Straßen neben Künstlern mit E-Gitarre und Verstärker. Modisch gekleidete Frauen treffen auf „Babuschkas“, die vor den Metrostationen Gemüse und Blumen anbieten. Die Fotografien sind typische und ungeschönte Impressionen des Alltags.

Meinst du, die Russen wollen Krieg? ist ein Gedicht des Poeten Evgenij Evtushenko aus dem Jahre 1961. Die Vertonung durch Mark Bernes führte zu internationaler Verbreitung. Das Antikriegslied betont das friedliche Russland und die schmerzvolle Erinnerung, da auch bis in fast jede Familie hinein Opfer zu beklagen waren. Der 9. Mai ist in Russland der Tag des Sieges zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Dieser Gedenktag änderte sich in den letzten Jahren grundlegend. Die offiziellen militärischen Staatsfeiern werden zunehmend ersetzt durch den Bessmertnyj polk (Бессмертный полк), auf Deutsch „unsterbliches Regiment“. Auf diesen Veranstaltungen vermischt sich das Feiern mit öffentlicher Manifestation und kollektiver Erinnerung an die Angehörigen. Die Teilnehmenden, Familien, Kinder, junge und alte Menschen, tragen Tafeln mit Bildern ihrer Vorfahren, die im Krieg gewesen sind oder davon betroffen waren. 2018 gingen bereits 10 Millionen Menschen zur Erinnerung auf die Straße, allein in St. Petersburg und in Moskau waren es jeweils mehr als eine Million. Gemeinsam teilt man sich Geschichte und familiäre Verbundenheit. Ein Teil der Aufnahmen in der Ausstellung widmen sich dem Bessmertnyj Polk am 9. Mai.

Über 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs bleibt der 8. Mai, der Tag der Befreiung, ein wichtiges Datum, dem in Deutschland zu wenig Bedeutung zugemessen wird. Geschichte verblasst zunehmend, wenn die Erinnerung und Verantwortung nicht wachgehalten werden. Frieden kennt jedoch kein Verfallsdatum für Erinnerung. Das Wissen, wie andere Völker leben und welche Hintergründe dazu existieren, ist Grundlage dafür, dass unterschiedliche Kulturen einander respektvoll begegnen können. Die Ausstellung will Mut dazu machen. Denn Europa ist nur mit Russland möglich.

Nachtrag 2022: Die Welt hat sich verändert, der Westen weiß, wer gut und wer böse ist und hat deshalb Russland mit über 16.000(!) Sanktionen überzogen. Unsere Ausstellung befasste sich nicht mit der Bewertung der politischen Vorgänge und mit Schuldfragen, sondern mit welchem Blick auf Russland geschaut wird. Die hemmungslose Russophobie, die in Westeuropa losgetreten wurde, hätten wir uns nicht träumen lassen. Nein, wir hatten gehofft, dass nationalistische Ressentiments im offiziellen Deutschland keinen Platz haben. Stattdessen: Boykott von Menschen mit einem russischen Pass, Verweigerung jeder Kommunikation und Kooperation und, trauriger Höhepunkt, sogar der Ausschluss von kulturellen Werken und Musik. Tiefer kann man nicht fallen. Wir stellen fest: Kein einziges Wort in unserer Ausstellung war falsch.

Die Ausstellung besteht aus sieben Rollups im Format 80x200cm mit Texten und Bilder zum Thema sowie gerahmten Fotografien.

Rollups Ausstellung Meinst du die Russen wollen Krieg 7 Tafeln

Eine Auswahl der Fotografien:

Produziert und erstellt von Multicolor e. V., gefördert durch: DGB-Stadtverband Stuttgart, Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg, Hotel Silber e. V., House of Resources und Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms Demokratie Leben!

Die Ausstellung kann gerne bei uns gebucht werden.
Kontakt: info@multicolor-stuttgart.de

Vergangene Ausstellungstermine:

19. März 2022 bis 3. Juli 2022
im Clara-Zetkin-Waldheim, Gorch-Fock-Straße 26, 70619 Stuttgart
1. Dezember 2021 bis 22. Februar 2022
im Willi-Bleicher-Haus, Willi-Bleicher-Str. 20, 70174 Stuttgart
30. Januar bis 28. Februar 2020
im DGB-Haus Bremen, Bahnhofsplatz 22-28, 28195 Bremen
Bericht der Deutsch-Russischen Friedenstage e. V.
8. November 2019
im Rahmen des Europakongresses Arbeiterzentrum, Sindelfinger Str. 14, 71032 Böblingen
8. Mai bis 7. Juni 2019
im Willi-Bleicher-Haus, Willi-Bleicher-Str. 20, 70174 Stuttgart

Unsere Ausstellung war nominiert für den Alternativen Medienpreis. Leider hat’s nicht ganz geklappt. Aber dabei sein ist ja bekanntlich alles.